Hoffnungsbriefe

Ostereier

7. Hoffnungsbrief 04.04.2021 von Wibke Winkler

Gelb und grün und blau, violett und rot. Gepunktet, gestreift, einfarbig.
Inmitten von zart austreibendem Grün baumeln sie von den Ästen. Ostereier.

Wie der Baum zu Weihnachten gehören die Eier zu Ostern. Sie sind eines der ältesten Symbole für das Osterfest überhaupt und ich habe sie als solches sehr zu schätzen gelernt. Das Ei verkörpert Trauer und Aufbruch, Zerbrechlichkeit und Lebenskraft auf ganz besonders anschauliche Weise.

Bildnachweis Frank Oschatz auf Pixabay

Kalt und schwer liegt ein gekochtes, gründlich abgeschrecktes und abgekühltes Ei in der Hand und im Magen. Wie ein Stein. Wie ein Grabstein, der den Namen eines geliebten Menschen trägt. Auch Jahre später stehe ich manchmal mit Tränen in den Augen davor. Wie ein Stein vor der Grabestür. Den rollt Dir so schnell keiner aus dem Weg. Wie ein Stein auf dem Herzen. Wer bringt ihn zu Fall?

Im Judentum wird am Sederabend, dem Vorabend und Auftakt des Pessach-festes, als Zeichen für die Trauer über den zerstörten Tempel ein gekochtes Ei gegessen. Es liegt schwer im Magen.

Auch mir liegt dieses Jahr zu Ostern so manches schwer im Magen. Ich trauere. Ich trauere um all‘ das, was sein könnte. Wegen der vielen Namen, die in Stein geschlagen werden. Um all‘ das Leben, das gerade nicht ist und von dem ich nicht weiß, ob und wann es wiederkommt. Ich bin in Sorge um die Menschen, die sich schon seit so langer Zeit verausgaben für die Gesundheit anderer.

Eines haben wir im vergangenen Jahr auf vielerlei Weise vor Augen geführt bekommen: Das Leben ist zerbrechlich wie Eierschale. Was unser Leben zusammenhält, hat Risse bekommen. Manches ist gar zerbrochen. Ich vermisse Vieles. Die kleinen Läden. Theater, Konzerte, Chöre. Die Unbeschwertheit. Werden wir uns eines Tages wieder unbesorgt die Hand reichen nach dem Gottesdienst? Gemeinsam singen? Den Kelch des Heils miteinander teilen? Ich hoffe es – und ich freue mich auf diesen Tag!

Da reicht meine Trauer der Hoffnung und der Vorfreude die Hand.

Dem rohen Ei sieht man das Leben, das in ihm wächst, von außen nicht an. Unter der Schale entwickelt es sich und eines Tages bricht die Schale auf und ein Küken lugt hervor. Jedes neue Leben ein neuer Aufbruch. Voller Hoffnung und Freude. Jetzt im Frühling kriecht das Leben aus allen Ritzen und Ästen – auch aus manchen, die ich für tot gehalten habe einen ganzen Winter lang. Inmitten von zart austreibendem Grün und den ersten Forsythienblüten baumeln die Ostereier von den Ästen und erzählen von einem Leben, das begonnen hat – und erst noch kommt.

Ostern geht weiter als der Frühling. Der Frühling kommt jedes Jahr wieder. Ich erwarte ihn nicht nur, ich weiß, dass er kommt. Aber nicht jeder Ast wird wieder grün und manch ein Ei fällt aus dem Nest und dann liegt die Schale zerbrochen am Boden. Das gehört zum Leben dazu. Denn das Leben ist zerbrechlich. Man muss vorsichtig damit sein. Und manchmal nützt alle Vorsicht nichts.

Ostern ist anders. Ostern geht einen Schritt weiter.

Gott haucht dem gekochten Ei neues Leben ein. Er lässt Leben wachsen aus dem, was zerbrochen ist. Der Stein liegt nicht mehr vor dem Grab. Das Grab ist leer. Leben wächst auf – dort, wo Du es nicht mehr erwartet hast. Es kommt wie aus dem Nichts. Diese Hoffnung ist der Urgrund des christlichen Glaubens. Österliche Hoffnung.

So hängen die Ostereier in den Ästen und Sträuchern. Gelb und grün und blau, violett und rot. Gepunktet, gestreift, einfarbig. Und sie erzählen von der Hoffnung auf neues Leben.

Gott holt das Leben wieder hervor. Kein Stein der Welt kann ihn dabei aufhalten.

Das Leben wächst auf durch seine Hand. In seiner ganzen Pracht. Lasst es uns feiern! Halleluja!

Die geschlossene Tür

6. Hoffnungsbrief 28.03.2021 von Susanne Kayser

Am Morgen war die Tür zu. Neugierig betrachteten wir den Türgriff, an den ein Tannenzweig geklebt war. Wir ahnten, dass die Tür nicht abgeschlossen war, dennoch wagten wir nie, die Klinke anzutasten. Nicht einmal ein bisschen. Es hatte etwas Geheimnisvolles, wie diese Tür sich schloss, in jedem Jahr wieder, über Nacht. Und es steigerte unsere Vorfreude auf das, was sich hinter dieser Tür wohl zeigen würde, wenn sie geöffnet würde.

 

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Foto: Marisa Sias auf Pixabay.com

Den Tag über versuchten wir so zu tun, als würden wir die Tür und den Raum dahinter ignorieren. Wir tobten durch den Flur. Nach dem Gottesdienst wurde es schon dämmrig. Wir Kinder wurden nach oben geschickt. Dort warteten wir und spitzten die Ohren. Schließlich bimmelte ein Glöckchen. Wir tapsten Hand in Hand die dunkle Treppe hinunter. Dabei sangen wir „Ihr Kinderlein kommet“. In jedem Jahr? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, dass die Tür nun offen stand. Es leuchtete dahinter. Ein Baum mit Kerzen. Eine Krippe. Ein Teller mit Süßem. Ein Tischchen mit Geschenken für uns drei Kinder.

Viele Jahre später erfuhr ich, dass meine Mutter jedes Jahr spätabends den Baum geschmückt und dabei das Weihnachtsoratorium gehört hatte. Ich sah mit eigenen Augen meinen Vater auf den Hocker steigen, um mit dem Regenschirmden höchsten Strohstern anzubringen. Und ich half dabei, das Weihnachtszimmer herzurichten. Die Tür blieb nun offen, wir waren ja groß. Doch nie vergaß ich, mit welcher Spannung wir viele Jahre darauf gewartet hatten, zu sehen, was sich dahinter verbarg, und einzutreten.

Im Moment fehlt es mir, dass Türen sich öffnen. Es fehlt der verheißungsvolle Geruch nach Gebäck und Kaffee, dem man einfach folgen kann. Es fehlt die Tischgemeinschaft. Es fehlt das „tritt ein!“. Viele Türen bleiben geschlossen. Zu unser aller Schutz.

Im Johannesevangelium wird erzählt, dass die Jünger Jesu sich in einem Raum versammelt hatten. Die Türen hatten sie verschlossen, aus Furcht. Doch dann kam der Auferstandene zu ihnen: „Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!“ (Johannes 20,19)

Mit Johannes will ich vertrauen, dass Gott auch bei verschlossenen Türen unter uns sein kann. Ich will vertrauen, dass er den Weg zu uns findet, auch in dieser Zeit von Distanz, und seinen Frieden mitbringt. Ich ahne, dass Gott sich darauf freut und voller Erwartung ist, in unsere Mitte zu treten. Zu jeder Zeit unseres Lebens. Lassen wir ihn ein!

Und in der Zwischenzeit können wir uns den ersten Besuch bei Freunden ausmalen. Wir können beobachten, wie Kinder das Spiel der freudigen Erwartung erleben. Wir können uns gemeinsam sehnen nach der Öffnung der geschlossenen Tür.

Susanne Kayser

Die wunderbare Wandlung des Grantlers

5. Hoffnungsbrief 21.03.2021 von Elisabeth Saenger

Als ich klein war, gab es in unserer Siedlung diesen einen Nachbar, der alles hasste, was wir Kinder taten: Ball spielen, rennen, lachen und rufen… Oft meckerte er über den Gartenzaun und schimpfte.

Wenn unser Ball unglücklicherweise über den Zaun flog, dann nahmen wir oft lieber einen neuen. Um ihn aus dem Garten holen zu können, hätten wir bei ihm klingeln müssen. Dazu fehlte uns der Mut. Wir hatten Angst.  Aber nicht vor seiner Schäferhündin, die mir bis zur Brust ging. Nein, sondern weil der alte Mann ein echter Griesgram war. Es kostete viel Mut zu klingeln und nach dem Ball zu fragen, und nicht immer wurde dieser Mut belohnt. „Was spielt ihr auch immer so wild im Garten? Spielt etwas anderes. Euren Ball behalte ich erst mal.“

Mein Bruder und ich spielten ihm eh immer zu laut und dass auch noch in der Mittagszeit. Mehrmals beschwerte sich Herr D. bei unseren Eltern, dass wir gefälligst nicht so laut sein sollten und schon gar nicht während der Mittagsruhe!

Als ich noch kleiner war, versuchten meine Eltern alles für einen guten Umgang und wir waren tatsächlich einmal zum Kaffee Trinken eingeladen. Für uns Kinder gab es Spritzgebäck und Milch. Aus Versehen schmiss ich Dreikäsehoch erst das Milchkännchen um, das sich dann über die Tischdecke ergoss und wenig später fiel mir auch noch die Keksdose auf den Boden, so dass alle Kekse heraus kullerten… das war das einzige gemeinsame Kaffeetrinken.

Foto: Micheile Henderson auf Unsplash.com

Als ich größer war, redete ich tatsächlich ab und zu mit Herrn D., wenn ich ihn auf der Straße traf. Er meckerte und schimpfte viel. Dann brüstete er sich oft damit, Jugendlichen seinen Spazierstock zwischen die Speichen gehauen zu haben. Diese seien ihm mit ihrem Fahrrad zu nahe gekommen, sagte er dann. Oder er erzählte, dass er sich mit seiner Schäferhündin bei den jungen Leuten Respekt verschafft hatte. Stets fühlte er sich bedroht. Sieben Schlösser hatte er an seiner Tür. Vermutlich weil er mal bei einer Bank gearbeitet hatte.

Als seine Frau starb und kurz danach die Schäferhündin zog er sich noch mehr zurück. Doch irgendwann da fand er eine neue Partnerin. Andere Nachbarn erzählten es mir; ich konnte es kaum glauben.

Dann traf ich die beiden auf der Straße. Frau S. war eine Seele von Mensch. Ich habe sie niemals ein böses Wort sagen hören; sie war immer positiv, immer gut gelaunt. Und Herr D.? Er war wie ausgewechselt, offen und freundlich. Er wurde zu einem angenehmen Gesprächspartner. Auf der Straße erkundigte er sich nach meinem Befinden und meiner Familie. Er blühte auf und ich gewann ihn richtig lieb. So war ich aufrichtig traurig als er starb und ging selbstverständlich zur Trauerfeier.

Wenn ich an ihn denke, habe ich immer noch vor Augen wie die beiden untergehakt gemeinsam die Straße vom Einkaufen hochkamen; beide zufrieden, beide lächelnd. Ein Wunder!

HOFFNUNG

4. Hoffnungsbrief 14.03.2021 von Thomas Meyer-Bohe

 

Wussten Sie, daß das Wort Hoffnung auf niederdeutsch „hopen“, d.h. „hüpfen“, „vor Erwartung unruhig springen“ zurückzuführen ist? Und somit eine zuversichtliche positive Erwartung umschreibt, daß das Gute eintritt, ohne dass ich mit letzter Gewissheit sicher sein kann. Ich erinnere meine Kindheit, und gerade auch an das nahende Osterfest, als mein Bruder und ich in freudiger Erwartung durch den Garten „hüpften“ in der Hoffnung, möglichst fette Ostereier zu finden.

 

living4media/Cecilia Möller

Hoffen ist „Denken“ (kognitiver Aspekt) und „Fühlen“ (emotionaler Zustand). So ganz deutlich wird das bei der Schwangerschaft, wenn die Gebärende „guter Hoffnung ist“. Vaclav Havel, der große tschechische Philosoph und Politiker formulierte es so: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, daß etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht!“ Ganz groß prangen seine Sätze auf einer riesigen Mauerwand in Weimar- Ettersberg, nur wenige Meter vom ehemaligen Konzentrationslager…. Wenn schon in der Hölle des KZs Hoffnung war, wieviel mehr kann und sollte solche dies zu Zeiten des Winter-Blues, der Passion und der Corona- Pandemie auch unser Kompass sein.

In dem ganz kleinen „Ich hoffe auf den HERRN“ ist ein ganz großer Kern christlicher Wahrheit enthalten, die nicht im äußerlich sichtbaren Augenschein beruht. Wenn Hoffnung naiv ist, dann -bitte- nennen Sie mich gerne naiv.

Mein weit über 90 Jahre alter, ehrwürdiger Vater sagt gemäß seiner alten Lebensschule: „In den Zeiten der großen Schwere und der geringen Hoffnung muß Disziplin her. Gebe jedem Tag seine Struktur, dann bist Du der Steuermann“. Treiben lassen gilt nicht, verzweifeln (und das ist ja das Gegenteil von hoffen!) auch nicht: Gottes sind Wogen und Wind, Segel aber und Steuer sind Euer“. Soll heißen: Neben der Hoffnung auf den HERRN können wir auch das Unsrige tun. Nicht die großen Hoffnungsthemen, das Hoffen auf Vergebung, das Hoffen auf Erlösung, das Hoffen auf das Ewige Leben, sondern die ganz kleinen Dinge sind es manchmal, die uns zu Pandemiezeiten aufrechterhalten, uns jetzt strukturierend helfen. Es geht jetzt um „hopen“, hüpfen in positiver Erwartung. Das kann jeder von uns, wenn auch nicht alle im gleichen Maße: die Alten, die Jungen, die Kinder, die Kranken, die Verzweifelten, die Depressiven, die Hoffenden, die Familien, die Leidenden und, ja auch die, die bisher noch ganz gut durch die Corona- Zeit gekommen sind und jetzt besondere Aufgaben übernehmen müssen. Eben: Alle

Hoffnung ruht auf kleinen Schritten- ganz kleinen, banalen Schritten:

Mache Dir selbst bewußt eine Freude, tue es auch, rede nicht nur darüber. Bastele! (z.B. Kinderspielzeug). Nähe oder stricke! (z.B. für bedürftige Mitmenschen). Schaue Dir alte Photoalben an! (gute Erinnerungen). Mache Sport und Joga vom Balkon! (wie ich gerade heute bei einem wunderbaren Wintertag Anfang Februar!). Telefoniere! (vielleicht geht es Dir nicht wirklich gut, aber sei sicher: Anderen geht es vielleicht noch weniger gut). Koche mit Liebe dein Leibgericht! (hmm, Bremer Grünkohl). Oder höre gute Musik! (Mozart, oder die „Ode an die Freude“ zum Beispiel). Schreibe Dein Tagebuch, einen Liebesbrief oder Deine Familiengeschichte! (Büttenpapier oder ein guter Füllfederhalter sind dabei gut angelegtes Geld). Lerne eine Sprache! Male, photographiere oder schreibe aus Deinem Wohnungsfenster und sehe den wunderbaren Wechsel im Laufe der Jahreszeiten! Oder… oder… oder.

Lenke Dich ab von negativen Gedanken (wobei wir uns klar sein müssen: auch Gedanken sind materiell, verändern Körper und Geist positiv oder negativ). Die letzte Wahl habe ich: Jetzt, in einer Zeit, wo wir Alle mehr Fragen als Antworten haben, wo niemand wirklich den Ausgang und die Konsequenzen kennt, ist die Zeit des Aussöhnens mit dem bösen Nachbarn oder buckeligen Verwandten. Jetzt, wo wir um unsere Schwachheit und Vergänglichkeit ahnen. „Sag nur ein Wort!“ Hilf anderen Menschen und mache Dir klar: Du bist für Deinen Nachbarn vielleicht wichtiger als Du denkst! Ja, auch ich kenne solche Menschen, die Hoffnung geben: Manfred B., der Pastor der Lutheraner Kirche im Fernen Wladiwostok/ Sibirien, selbst schon über 80 Jahre alt, der in Hoffnung ausharrt- auch und wenn die Situation dort alles andere als normal, als „business as usual“ ist.

Jeder wartet auf Hoffnungsbringer, doch: wir selbst sollen Hoffnungsbringer sein. Fast schon klassisch der nachbarliche Trompetenbläser in der Schaumburger Straße/ In der Wisch, der jeden Abend um 18 Uhr die Anwohner, die sich im Gemeinschaftsgarten oder vom Balkon treffen, für ein paar Minuten gemeinschaftsstiftend und mit Abstand mit einigen Noten glücklich macht.

Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende! (Oscar Wilde).

Fürchte dich nicht

3. Hoffnungsbrief 07.03.2021 von Lars Ackermann

“Fürchte dich nicht” – dieser Satz kommt häufig in der Bibel vor. Wie ein roter Faden durchzieht er oftmals die Texte, besonders im Neuen Testament.

Wir Menschen haben oft schnell Angst und fürchten uns und dann sehnen wir uns nach Ermutigung. Es ist ja auch gar nicht so einfach, die eigenen Ängste abzulegen, so wie man ein schmutziges T-Shirt ablegt. Und in einer Welt, die so voller Hass und Zerstörung ist, wird es uns auch nicht einfacher gemacht, sich nicht zu fürchten. Gott aber weiß, wie schnell wir Menschen Angst haben – und dass wir jeden Tag Ermutigung brauchen. Wir müssen uns nur auf diese Ermutigungen einlassen. Und selbst dann werden nicht alle Ängste verschwinden. Ein Leben mit Gott ist kein Leben ohne Ängste. Sie gehören zu unserem Leben dazu. Manchmal ist es sogar gut, Ängste zu haben, können sie uns doch auch vor so mancher unüberlegten Tat bewahren. Aber, wenn wir uns auf ein Leben mit Gott einlassen, dann gehen wir unsere Wege eben nicht alleine. Wir sind dann nicht im Besitz einer „Vollkasko-Lebens-Risiko-Versicherung“ und werden dadurch auch nicht vor allem Unheil bewahrt. Aber wir haben Gott an unserer Seite, der uns Kraft, Mut und Stärke zum Weitergehen geben kann. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott uns kennt und weiß, was gut für uns ist. Da ist dann jemand, der größer und stärker ist als unsere Angst. Gottes Aufforderung „Fürchte dich nicht!“ ist also kein Werbegag getreu dem Motto: „Ist doch alles bloß halb so wild.“ Die Augen vor der Realität sollen mir nicht verschlossen werden; es ist vielmehr die Einladung, dass ich meine Ängste in Gottes Hand geben darf. Verschwunden sind sie dann auch nicht, aber sie haben ihre alles beherrschende Macht verloren und mein Blick auf die Situation kann sich ändern und frei werden. Und wenn ich darauf baue, dann kann ich auch eine Stütze und Begleitung für andere sein.

Lars Ackermann

Stoßgebete

2. Hoffnungsbrief 28.02.2021 von Edzard Steffens

Es war der 2. Oktober 2003, die zweite Hofpause war gerade beendet und ich unterrichtete Mathematik in einem Mobilbau mit Blick auf das große Schulgebäude. Es war eigentlich wie immer und ich hatte Freude an meiner Arbeit. Plötzlich rief eine Schülerin, die sich gerne durch Albernheiten in den Mittelpunkt bringen wollte: „Herr Steffens, Herr Steffens, die Schule brennt!“ Ich sagte noch zu ihr: „Hör mit dem Quatsch auf.“, als mein Blick auf das fast 100 Jahre alte Schulgebäude im Bremer Osterfeuerbergviertel fiel – und ich sah das Bild, das ich auf dem Brief abgedruckt habe.

Foto Hoffnungsbrief Steffens
Fotograph V. Blumhoff

Ich dachte an die über 400 Kinder und Unterrichtenden, die sich gerade jetzt in ihren Klassenräumen befanden und mein Herz sackte in die Hose. Ein erstes Stoßgebet von mir erreichte den Herrn, dass keinem etwas passieren möge – und ich fühlte sofort eine gewisse Zuversicht. Wir hatten Feueralarmübungen durchgeführt und eigentlich wusste jeder, was zu tun war. Zudem war das Feuer im Dach ausgebrochen und vielleicht zog der Rauch, fast die größte Gefahr bei einem Brand, nicht in das Gebäude sondern nach oben ab. Selber konnte ich in diesem Moment gar keinen Einfluss nehmen, weil ich ja in einem anderen Gebäude war.

Tatsächlich kam es so, mit Hilfe meiner wunderbaren Kolleginnen und Kollegen sind alle Kinder und Erwachsenen in aller Ruhe aus dem Gebäude gelangt und haben sich auf dem Schulhof aufgestellt. Die Meldung kam zu mir von allen, dass keiner mehr im Schulgebäude war und alle vollzählig waren. Ein zweites Stoßgebet erreichte den Herrn, diesmal ein Dankgebet!

Inzwischen waren ungefähr zwanzig Feuerwehrfahrzeuge eingetroffen und ich gab die Meldung der Vollständigkeit an deren Leiter weiter, als plötzlich am Himmel ein Rettungshubschrauber erschien und über der Schule kreiste. Wieder erreichte mein Stoßgebet den Herrn, „lass keinen mehr im Gebäude sein!“ Wieder wurde ich sofort beruhigt und zuversichtlich und tatsächlich erläuterte mir der Leiter der Feuerwehr, dass dies ein Automatismus sei, wenn irgendwo eine Schule oder eine vergleichbare Einrichtung brennt.

Inzwischen hatte sich eine beachtliche Menge an Personen aus dem Viertel in ausreichender Entfernung angefunden. Sowohl bei ihnen als auch bei den Schülerinnen und Schülern sah ich viele Tränen. In der Tat hingen sie an „ihrer“ Schule und waren richtig traurig. Viele auch ältere Menschen wohnten ihr Leben lang im Viertel und hatten die Schule schon besucht und waren ihr verbunden. Wieder ging ein Stoßgebet zum Herrn: „Wie sollen wir das bloß schaffen, gib uns doch die Kraft dazu!“

Wirklich ist es uns in den folgenden zwei Tagen gelungen, in der Nachbarschaft Räume zu finden und sie mit Hilfe vom Kollegium, von Eltern und unserem tollen Hausmeister zu möblieren. Am dritten Tag konnten wir wieder Unterricht machen und ich habe selten so glückliche Kindergesichter gesehen wie an diesem Tag. Sie waren nun sicher, dass keinem etwas passiert war, dass alle ihre Freundinnen und Freunde wieder da waren!

Ich bin sehr sicher, dass ohne die Hilfe Gottes alle diese Dinge nicht so hätten gelingen können. Die Hoffnung und die Zuversicht, die ich sofort und unmittelbar nach meinen Stoßgebeten gefühlt habe, konnte ich weitergeben an viele Beteiligte und wir gewannen die Kraft, eigentlich Unmögliches zu schaffen. Ich möchte Sie ermutigen, in Situationen, in denen man nicht mehr weiter weiß, in einem Gebet den Herrn um Hilfe zu bitten. Er wird nicht immer das tun, was wir erwarten aber er hört uns und wird helfen. Die Hoffnung, Zuversicht und Kraft, die ich durch das Gebet erfahren habe, werden auch Sie finden und sie werden Ihnen helfen, schwierige Zeiten zu überwinden. Die Schule konnten wir übrigens nach einer viel zu langen Zeit, aber dafür wunderbar renoviert wieder voll in Betrieb nehmen.

Edzard Steffens

Susi und das Leben danach

1. Hastedter Hoffnungsbrief 21.02.2021 von Pastorin Ulrike Oetken

Unsere Katze heißt Susi und seit sie bei uns bei uns lebt, hat sie sich zu einem Naturkind entwickelt. Zuvor war sie eine Wohnungskatze, aber seit einigen Jahren zieht es sie mehrmals am Tag in den Garten. Was sie dort alles so unternimmt, können wir nur ahnen. Die Tierärztin hat ihr unlängst bescheinigt, dass sie kerngesund ist, fit und körperlich auf der Höhe.

Von Corona hat sie noch nichts gehört. Das interessiert sie schlicht nicht. Ihr Leben hat sich durch die Pandemie in keiner Weise geändert. „Beneidenswert“, denke ich manchmal, wenn ich sie in der Sonne liegen sehe, oder durch die Büsche streifen oder wie sie wie eine Königin an der Gartenpforte die Passanten defilieren lässt, als kämen sie nur vorbei, um ihr ihre Aufwartung zu machen.

Als aber neulich Schnee fiel, wurde alles anders. Auf einmal war der Balkon, über den sie in den Garten huscht, unter einer weißen Decke verschwunden. Dasselbe Bild vor der Haustür. Das war ihr nicht geheuer. Keinen Fuß wollte sie auf diesen Untergrund setzen. Wie angewurzelt hockte sie davor, zu keinem weiteren Schritt bereit. Wer weiß, vielleicht ist dieses Weiß ja ein Nichts und man fällt hindurch ins Bodenlose. Ich bilde mir ein, solche Gedanken hinter ihrer Stirn rattern zu sehen. Der Versuch, sie einfach einmal hinein zu setzen in diese kalte weiße Welt, wurde von Susi empört zurückgewiesen. Mittlerweile werden wir sogar wütend angezischt, wenn wir nur die Balkontür öffnen.

Katze

Seitdem hängt der Haussegen schief. Susi ist offensichtlich unausgelastet und schlecht gelaunt. Ihr fehlen Bewegung, Anregungen und vermutlich auch diverse soziale Kontakte, von denen wir nichts wissen. Susi ist in Quarantäne. Irgendetwas Großes, Fremdes, Undurchschaubares hindert sie am gewohnten Leben. Nachdem sie anfangs einfach mehr geschlafen hat, vertreibt sie sich nun die Zeit mit Fressen. Sie hat angefangen, die Küche nach Essbarem zu durchsuchen. Das ist neu. Sie sucht mehr Gesellschaft, spielt wieder gerne mit allem, was auf dem Fußboden liegt. Aber all das macht sie nur mäßig zufrieden. Immer öfter sieht man sie nun sehnsüchtig am Fenster sitzen und hinausschauen: „Wenn das doch bald vorbei wäre! Aber ob es überhaupt jemals aufhört? Wir es ein Danach geben? Und wird die Welt einmal wieder so sein, wie ich sie kannte? Ich will nicht mehr, meine Geduld ist am Ende!“ . Bei diesem Gedanken angekommen, muss Susi sich oft mit einem Galopp durch das Zimmer abreagieren.

Wie gut ich sie verstehen kann. Mir geht es ja genauso. Auch ich warte sehnsüchtig auf das Leben wie ich es kannte. Vor Corona. Aber wie es dann wirklich sein wird, das kann ich mir kaum vorstellen. Genauso? Oder ganz anders? „Wann wird es endlich wieder so wie es nie war?“ heißt ein Roman von Joachim Meyerhoff. Eine gute Frage. Im Rückblick scheint das Leben vor Corona paradiesisch. Wann wird es wieder so? Aber war es denn das Paradies? Und wonach sehne ich mich eigentlich wirklich? Danach, dass alles wieder so wird? Oder danach, dass es weiter geht und etwas ganz Neues beginnt?

Die Bibel bewegt sich mit ihren Geschichten zwischen dem Anfang im Paradies hin zu etwas, das wir nicht kennen. Ihre Hoffnung ist nicht die Rückkehr zu den Anfängen, sondern die Reise zu etwas neuem Unbekannten. Jesus nannte es Reich Gottes. Auf dem Weg dahin gibt es das Reich des Todes und eine Tür, die heißt Auferstehung. Das alles ist für uns Menschen mindestens so unbekannt wie für Susi der Schnee.

Ungeduldig warte ich darauf und ich hoffe und glaube, dass das Kommende anders, aber gut sein kann. Ich rede meiner Katze gut zu. Sie lehnt sich an mein Bein und maunzt. Gemeinsam schauen wir in den Garten.

Und ich habe Paulus im Ohr: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden!“

(2. Korinther 5,17).

Pastorin Ulrike Oetken